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   Mit Fleiß zusammengetragen und ans Licht gebracht von Jan Meyer
 
   
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Die Zeit in Wien| .. in Buchenwald/Sömmerda| .. in Liechtenstein| Seine Stimme

Die Geschichte von Curt Herzstark und seiner Curta

Teil III: Die Zeit in Liechtenstein (1945 - 1988)



 1946

Kontakt mit Liechtenstein

Während der Reisevorbereitungen tauchen zwei Herren vom österreichischen Finanzministerium auf. Im Auftrag des Landes Liechtenstein sollen sie nach geeigneten Fachleuten und Erfindungen suchen. Herzstark wird vom österreichischen Finanzminister Juch ins Palais Liechtenstein nach Wien eingeladen. Dort haben sich zwölf Personen im Rittersaal versammelt: Unter ihnen die Prinzen Karl Alfred und Ulrich von Liechtenstein, Patentanwälte und Techniker. Herzstark führte seine Prototypen vor, und alle sind begeistert! Kurze Zeit später wird Herzstark mit einem Diplomatenwagen über die Grenze nach Liechtenstein chauffiert. Fürst Franz Josef II. von Liechtenstein empfängt ihn, probiert die Maschine aus und ist begeistert: »Ja, das ist das richtige Produkt für uns!« Herzstark ist glücklich: »Jetzt kann ich für das Land Pionierarbeit leisten und die Fabrikation von Grund auf aufbauen. Ich bin der Messias von Liechtenstein.« Am nächsten Tag wird bereits über die Finanzen gesprochen. Herzstark hatte schon Kosten von 3 Millionen Mark für eine Produktion in Deutschland kalkuliert. Die Daten für eine Produktion in Liechtenstein fehlen noch. Herzstark reist in die Schweiz, um sich bei seinem Freund Jost, mit dem er auch schon verhandelt hatte, zu entschuldigen. In der Schweiz ermittelte er auch gleich die aktuellen Preise für Maschinen. Zurück in Liechtenstein informiert er den Fürsten über die Fakten: drei bis vier Millionen Schweizer Franken nur für die Maschinen, ohne Gebäude und Grundstück; Aufbauzeit bis zum Beginn der Produktion – drei Jahre!

Briefmarke

 1946
Technischer Direktor der Contina

Herzstark stellt sich alles genau vor: Ich habe die Oberleitung, beigestellt einen kaufmännischen Direktor aus Liechtenstein, der sich mit den Gesetzen des Landes auskennt. Zur Unterstützung meine ehemaligen Mitarbeiter aus Wien. Und je Maschine bekomme ich fünf oder sechs Franken Lizenzgebühr. Der Fürst ist mit diesen Plänen einverstanden.
Contina Firmengebäude

Es ist Anfang Juli 1946. Am 10. Juli erkrankt Herzstark an Lungen- und Rippenfellentzündung und wird ins Krankenhaus eingeliefert. Dort hat man ihn in vier Wochen mit Penizillin soweit hergestellt, dass er wieder verhandeln kann. Zwei Herren stellen sich bei ihm vor: »Wir verhandeln jetzt weiter über die Firmengründung! Es ist einem Souverän nicht zuzumuten, sich um diese Details zu kümmern. Seine Durchlaucht haben geruht, eine Finanzgesellschaft zu gründen, die heißt jetzt Administrationskontor. Dieser Finanzgesellschaft stehen wir beide vor. Wir gründen jetzt die Industriegesellschaften, und da ist dann auch ihre Rechenmaschinenfabrik dabei.«
     Herzstark glaubt immer noch, dass alles auf den bisherigen Absprachen beruht.Einige Tage später kommen die Herren mit neuen Vorschlägen wieder: »Wir gründen eine Aktiengesellschaft, für ihre Erfindung erhalten sie Anteile von 35 Prozent!« Herzstark ist erstaunt über diese noble Geste. Kurz darauf die große Enttäuschung: Die Aktiengesellschaft wird mit nur einer Million gegründet! Nur eine Million für Grundstücke, Fabrik und Maschinen? In den Augen Herzstarks ein lächerlicher Betrag.
     Seine Einwürfe werden abgewürgt: »Das Geld wird dann schon da sein! Entweder Sie unterschreiben, oder es tut uns leid.« Herzstark ist in der Zwickmühle, oder wie es ein Freund deftiger ausdrückt: »Du bist jetzt in der Scheißgasse!« Ein kranker, mittelloser, hilfloser Herzstark unterschreibt. Der erste Rückschlag.
     Immerhin wird er technischer Direktor mit einem 10-Jahres-Vertrag, einem guten Einkommen, und irgendwann würden die Aktien im Wert von 350.000 Franken ja Dividende abwerfen. Langsam erkennt er, wie weit die Kontrolle des Administrationskontors geht: Alle Verträge, Verhandlungen, der Ankauf von Maschinen, die Personalbeschaffung usw. – alles läuft über das Kontor.
     Herzstark, der Direktor ohne Kompetenz. Der nächste Tiefschlag, aber es soll noch schlimmer kommen. Vorher jedoch eine positive Nachricht.

Direktor Curt Herzstark

 1946
Die Hochzeit

15. November 1946: Curt Herzstark und Hertha Spindler heiraten. Der Sohn Curt Albert kommt am 29. Dezember zur Welt. Herzstark ist nicht nur bei Rechenmaschinen ein Mann der Tat.

 

 1948
Die erste Curta aus der Serienproduktion

In knapp vier Jahren hat man die Produktion aufgebaut. Bis auf wenige Schrauben werden alle Teile selbst gefertigt. Kosten: 3 Millionen Franken. Herzstarks Prognosen waren also sehr treffsicher. Im Herbst 1948 kommt die erste Curta aus der Serienfertigung der Contina AG.
     Nun hält er sie in Händen: Das mechanische Meisterwerk, die CURTA! Wie kam es aber zu diesem Namen? Der ursprüngliche Name auf den Zeichnungen aus Buchenwald war »Liliput«, aber dem Kontor gefiel dieser Name nicht. Die unmöglichsten Einfälle wurden diskutiert. Da mischte sich eine holländische Korrespondentin in die Diskussion: »Der Erfinder heißt Curt, die Maschine ist seine Tochter. Wollen wir sie nicht einfach Curta nennen?« Das hat eingeschlagen!
     Die Maschine wurde also CURTA (die weibliche Form von Curt) genannt. Herzstark bekommt aber auch eine leibliche Tochter aus Fleisch und Blut: Am 15. September wird Christa Viktoria in Vaduz geboren.
Curta I

 1949
Messe Basel

Im Mai werden auf der Messe in Basel die ersten Curtas vorgestellt. Herr Jost von Precisa ist begeistert und übernimmt den Generalvertrieb für die Schweiz. Nach einiger Zeit kommt er aber zur Erkenntnis: »Mit diesen Leuten vom Kontor kann man nicht zusammenarbeiten.« Er verkauft lieber andere Maschinen.

Messe Basel

 1950
Generalversammlung

Auf der Generalversammlung wird Herzstark mitgeteilt, dass die Gesellschaft mit zwei Millionen verschuldet ist. Bei einem Aktienkapital von 650.000 ein abnormaler Zustand. Die Bank von Liechtenstein fordert eine Sanierung, und die Bank gehörte dem Fürsten.
     Der Vorschlag: Die alte Gesellschaft wird annulliert und es wird eine neue gegründet. Erst begreift Herzstark nicht, aber schnell wird ihm klar: Die versprochenen Aktien, die er nie bekommen hat, sind nun völlig wertlos! Als kleine Entschädigung bietet man Herzstark nun die Gesamtleitung an. Technischer Direktor oder Gesamtleitung, wo ist der Unterschied wenn man keine Kompetenzen hat?
     Herzstark ist auf dem Tiefpunkt: Man hat ihn um sein Lebenswerk betrogen. Zumindest scheint es so ...

 

 1951
Ein taktischer Fehler

Aber die Contina hat einen taktischen Fehler begangen: In den ersten Jahren ließ man die Patente auf den Namen Herzstark weiterlaufen, um bei eventuellen Patentprozessen die Contina herauszuhalten. Dann hat man die Sache vergessen. Der Patentanwalt Giesler, gemeinsamer Treuhänder für die Contina und Herzstark, kommt von einer Wehrübung zurück. Er erkennt sofort, wie übel man Herzstark mitgespielt hat, bekommt einen Wutausbruch und ruft plötzlich: »Herzstark, dies ist hochinteressant, die Patente lauten gemäß Auftrag der Contina noch immer auf Ihren Namen! Die Patente gehören immer noch ihnen!«
      Herzstark gefällt die Sache nicht: Schon wieder eine neue, nervenzermürbende Prüfung, Streit und Prozesse. Aber der Anwalt macht Mut: »Das Recht ist hundertprozentig auf ihrer Seite. Mit Gentlemen-Gangstern muss man in ihrem Jargon verhandeln.« Obwohl die Contina nun von Herzstark vollkommen abhängig ist (ohne Patente hätten sie schließen müssen), bleibt Herzstark seiner Linie treu: Er verlangt nur die ursprünglich versprochenen 350000 Franken. Aber zusammenarbeiten will er mit diesen Leuten nicht mehr. Einige Jahre ist er noch als freier Berater tätig, aber die Contina AG betritt er nie wieder.
      Der große Erfinder wird nur noch als Aushängeschild benutzt: Er hält Vorträge in Firmen und Hochschulen. Im Laufe der Zeit kamen noch weitere unseriöse Details ans Licht: Herzstark wollte immer seine ehemaligen Mitarbeiter aus Wien einsetzen. Angeblich war die Fremdenpolizei dagegen. Tatsächlich hatte man sich nie um eine Genehmigung bemüht. Oder der Mitarbeiter, der sich mit den Landesgesetzen auskennt: Herr Tschopp vom Kontor wurde als Schweizer vorgestellt. Er hielt Herzstark jahrelang zum Narren, indem er schwyzerdütsch mit ihm sprach – in Wirklichkeit war er Deutscher!

Dreherei

 1954
Die Ehefrau zieht nach Wien

Die Umstände wirken sich negativ auf die Ehe aus: Seine Frau zieht mit den Kindern zurück nach Wien. Selbstverständlich sorgt Herzstark weiter für den Unterhalt. Zwei Jahre später zieht sich Herzstark endgültig ins Privatleben zurück.

 

 1966
Verkauf an die Firma Hilti

In der Zwischenzeit ist aus der Contina ein Gemischtwarenladen geworden. Im Programm sind Fotoapparate, Plattenspieler, Filmkameras und Messwerkzeuge. Die Produkte sind von guter Qualität, aber man hatte keinen Namen im Markt. Ein riesiger Werbeaufwand wäre nötig; mit einer Kapitaldecke, die nicht einmal für die Curta reicht. Die Firma ist nur durch einen Verkauf zu retten. Der Käufer – die Firma Hilti – ist nur an Gebäuden und Personal interessiert. Alle Produkte, außer der Curta, werden aus dem Programm genommen.

Herz Logo

 1972
Das Ende der Curta-Produktion

Insgesamt werden etwa 150.000 Curtas hergestellt. Die verkaufen sich mehr oder weniger alleine. Die Verkaufsorganisation – wenn sie diesen Namen überhaupt verdient – war miserabel.
      Herzstark machte einen Test auf einer Messe. Man kannte ihn nicht. »Fräulein was ist denn das?« – »Das ist eine Rechenmaschine.« – »Können sie mir die vorführen?« – »Nein, aber hier haben sie einen Prospekt.« Herzstark: »So kann man nicht verkaufen, man muss akquirieren, auf die Kunden zugehen, auch mal einen Maschine zum Testen dalassen.« Der von Fachleuten geschätzte Weltbedarf von 3 bis 4 Millionen Stück wird nicht einmal annähernd erreicht.

Messe 1952

 1984
Die Curta ist nicht vergessen

Etwa 1984 erscheint in der »Züricher Ingenieurzeitung« ein Artikel von Dr. Ing. Hürlimann, einem hohen Beamten der Post in Bern. Er stellt die neuen elektronischen Taschenrechner dem mechanischen Wunderwerk Curta gegenüber. Ein Exemplar dieser Zeitschrift erhält Curt Herzstark durch seinen ehemaligen Mitarbeiter, Ing. Elmar Maier.
      In der Folge erscheinen weltweit Artikel, man interessiert sich wieder für die Curta und ihren Erfinder. 1987 führt das »Charles Babbage Institute« der Universität von Minnesota ein zweitägiges Interview mit Curt Herzstark in Nendeln (Liechtenstein) durch.
(Aus diesem Interview sind viele Informationen und Zitate für diese Lebensgeschichte entnommen).
Herzstark ist gern gesehener Gast und Gesprächspartner auf Treffen von Sammlern mechanischer Rechenmaschinen. Später wird das Internet das neue Medium, in dem über die Curta berichtet wird.
Herzstark in Augsburg

 1988
Am 27. Oktober stirbt Curt Herzstark in Liechtenstein

Ein großes Erfinderleben geht zu Ende. Herzstark ist weder berühmt noch reich geworden. Wenn man heute an Produkte aus Liechtenstein denkt, fallen einem höchstens Briefmarken ein.
      Nur ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern, Technikern und Sammlern hält das Andenken an Curt Herzstark hoch: Den Mann, der die letzte große Erfindung auf dem Gebiet der mechanischen Rechenmaschinen machte!

 
Herzstark und Maier


 
   ©2003 by Jan Meyer